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Kinderpornographie: Der neue § 184 b StGB
Bereits am 14.03.2024 wurde der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b I S.1 und III StGB (Verbreitung sowie Besitz und Erwerb von kinderpornographischen Inhalten) in erster Lesung durch den Bundestag beraten. Nun wurde dieser Gesetzentwurf am 16.05.2024 in einer leicht vom Rechtsausschuss geänderten Fassung angenommen. Der Entschließungsantrag der CDU / CSU – Fraktion, lediglich nur einige problematische Fallgruppen (die sog. Eltern- oder Warnfälle, Taten von Jugendlichen sowie niederschwellige Fälle) auf Tatbestandsebene zu privilegieren, fand keine Mehrheit.
Nun werden die Tatbestandsvarianten „Verbreitung“, (§ 184b I S.1 StGB), (künftig Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten statt 1 Jahr) und „Erwerb und Besitz“ (§ 184b III StGB), (künftig Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten statt 1 Jahr) in absehbarer Zeit – ab Inkrafttreten (Zeitpunkt noch ungewiss) – wieder zum Vergehen werden. Bisher waren diese Varianten ja seit dem 01.07.2021 - bis jetzt noch aktuell - zum Verbrechen hochgestuft. Der Vorteil dieser neuen Regelung ist vor allem für die Verteidigung interessant: Verfahrenseinstellungen nach den §§ 153, 153a StPO sowie Erledigung im Strafbefehlswege sind bei Vergehen wieder möglich. Die Höchststrafen von 10 Jahren (Verbreitung) sowie 5 Jahren (Erwerb und Besitz) sollen aber unverändert bleiben.
Bis zum 30.06.2021 galt der Strafrahmen Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren für „Verbreitung“ und Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe für „Erwerb und Besitz“. Danach die Hochstufung zum Vebrechen und jetzt (bald) wieder fast so wie bis zum 30.06.2021. Das Inkrafttreten der Gesetzesänderung mit Außenwirkung für die Bürger wird relativ schnell kommen, zumal der Bundesrat bereits am 22.03.2024 beschlossen hatte, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Warum diese Gesetzesänderung jetzt beschlossen wurde, hatte man schon einige Zeit in den Medien verfolgen können: 1. Eltern- oder Warnfälle (Eltern oder Lehrer haben bei den Kindern / Jugendlichen inkriminiertes bzw. kinderpornographisches Material aufgefunden und dieses zwecks Warnung und in Missstandsaufklärungsintention als „Beweisbilder“ gesichert und / oder an andere Eltern / Lehrer / Schulleiter etc. weitergeleitet). Hier wollten die Eltern / Lehrer sich kinderpornografische Inhalte nicht aus Eigeninteresse aneignen, sondern im Gegenteil eine Verbreitung durch Aufklärung und Warnung verhindern; 2. Kinder / Jugendliche befinden sich z.B. in WhatsApp-Gruppen mit teilweise hunderten von Mitgliedern und bekommen ungewollt von einigen wenigen Mitgliedern – die vielleicht den Versand von kinderpornografischen Stickern / sog. „Fun“ – KiPo-Dateien oder ähnlichem lustig finden - kinderpornographisches Material – unaufgefordert – in die Gruppe geschickt, welches dann auch noch bei vielen automatisch in den Fotos oder in einer Cloud gesichert bzw. abgespeichert wird, ohne dass jene – unschuldige - Teilnehmer das bemerkt haben um was es sich dabei handelt (die meisten klicken in diesen ca. zwei bis dreistelligen Mitgliedergruppen unter der Masse der versandten Dateien den „Wust“ an in die Gruppe verschickten Dateien eh nicht an bzw. aus den Vorschaubildern erschließt sich oft nicht der dahinterliegende kinderpornografische Inhalt); 3. Fälle zu verorten am unteren Ende der Sanktionswürdigkeit: Bei der noch geltenden aktuellen Gesetzeslage würde der Täter beispielsweise für den Besitz lediglich eines kinderpornografischen Bildes – sei es auch „nur“ ein sog. „Posing-Bild“ – eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bekommen (auf Bewährung höchstwahrscheinlich, - zumindest wenn er keine (einschlägigen) Vorbelastungen hat und / oder nicht bereits unter laufender Bewährung schon steht).
Beim Bundesverfassungsgericht ist übrigens eine Normenkontrollvorlage eines Amtsgerichts anhängig, das die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr in diesem von dem Amtsgericht verhandelten Fall für verfassungswidrig hält wegen Verstoßes gegen das Schuldprinzip / Übermaßverbot.
Viele Verfahren bei den Gerichten sind wegen der bevorstehenden Gesetzesänderung ausgesetzt. Ob Aussetzung oder nicht, in einigen Landgerichtsbezirken wird das flexibel gehandhabt indem Gericht und Staatsanwaltschaft sich einfach auf eine Aussetzung einigen oder verständigen, - oft auch auf Antrag der Verteidigung. Man kann als „Aussetzungsparagraphen“ z.B. § 262 StPO analog heranziehen, obwohl der so richtig – auch analog – nicht sonderlich passt. Jedenfalls liegt mir aktuell ein Aussetzungsbeschluss eines Amtsgerichts in Ostwestfalen (Landgerichtsbezirk Bielefeld) vor, in dem es in dem Beschluss in einem Satz heisst: „Das Verfahren wird analog § 262 StPO ausgesetzt.“ Eine andere Möglichkeit der Verzögerung ist, den Hauptverhandlungstermin möglichst weit nach hinten zu schieben bis die neue Gesetzesänderung gewiss in Kraft sein wird. Wenn bereits nach aktueller Gesetzeslage ein Urteil beispielsweise von einem Amtsgericht – Schöffengericht – verkündet worden ist, sollte der Verteidiger schon allein aus anwaltlicher Vorsorge Rechtsmittel einlegen, um die Rechtskraft zu hindern und beispielsweise nach Inkrafttreten der neuen Gesetzesänderung beim Berufungsgericht nach § 2 III StGB (das mildeste Gesetz gilt!) ein neues Urteil unter Anwendung des neuen milderen Strafrahmens zu erhalten. Beschuldigte, deren Fälle derweil noch nicht einmal angeklagt bzw. wegen langer Auswertungswartezeiten bei der Polizei hins. der beschlagnahmten Datenträger noch lange zuwarten müssen, werden sicherlich „Glück im Unglück“ haben, wenn bei ihnen KiPo-Material gefunden werden sollte und von der neuen Regelung profitieren, die ja jetzt in absehbarer Zeit mit Außenwirkung kommt. Beschuldigte, bei denen bis zum 30.06.2021 eine Durchsuchung stattgefunden hat und dabei kinderpornografisches Material sichergestellt worden ist und deren Verfahren immer noch laufen, werden ohnehin nicht nach dem noch geltenden aktuellen schärferen Gesetz verurteilt, wenn aktuell jetzt eine Hauptverhandlung stattfände, sondern nach dem bis zum 30.06.2021 geltenden Gesetz.
Der neue § 184b StGB (Anpassung der Mindeststrafen nach unten für Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornographischen Inhalten) ist seit dem 28.06.2024 in Kraft.
Die Tatbestandsvarianten „Verbreitung“ , öffentliches Zugänglichmachen, Drittbesitzverschaffung etc. von kinderpornographischen Inhalten, (§ 184b I S.1 StGB), (jetzt Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten statt bisher 1 Jahr) und „Erwerb und Besitz“ von kinderpornographischen Inhalten (§ 184b III StGB), (jetzt Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten statt bisher 1 Jahr) sind seit dem Inkrafttreten am 28.06.2024 wieder ein Vergehen. Bisher waren diese Varianten seit dem 01.07.2021 ein Verbrechen. Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind, Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind, siehe § 12 I und II StGB. Verfahrenseinstellungen nach den §§ 153, 153a StPO sowie Erledigung im Strafbefehlswege sind nun wieder möglich. Die Höchststrafen von 10 Jahren (Verbreitung) sowie 5 Jahren (Erwerb und Besitz) bleiben aber unverändert.
Das heißt jetzt beispielsweise, dass Taten in o.g. Zusammenhang, - begangen zwischen dem 01.07.2021 und 27.06.2024 -, jetzt gem. § 2 III StGB nach dem milderen Gesetz abgeurteilt werden, mithin also nach der neuen Gesetzeslage.
Bis zum 30.06.2021 galt der Strafrahmen Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren für „Verbreitung“ und Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe für „Erwerb und Besitz“. Danach die Hochstufung zum Verbrechen und jetzt wieder Herunterstufung zum Vergehen. Taten, die bis einschließlich 30.06.2021 begangen wurden und jetzt verhandelt und entschieden werden, werden natürlich nach der jeweils zeitlich entsprechenden Gesetzeslage bis zum 30.06.2021 beurteilt, denn der Strafrahmen bis zum 30.06.2021 war für die o.g. Tatbestandsvarianten noch günstiger als der jetzige seit dem 28.06.2024 geltende.